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Koalitionsvertrag: Kommt jetzt der Hausarzt als Lotse?
BERLIN – In der ambulanten Versorgung müssen gesetzlich Krankenversicherte und ihre Ärzte in den kommenden Jahren mit weitreichenden Änderungen rechnen. Im Mittelpunkt steht für gesetzlich Krankenversicherte eine wirksame Steuerung des Arztzugangs. So sieht es der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vor, der Arbeitsgrundlage der neuen Bundesregierung werden soll.
„Zu einer möglichst zielgerichteten Versorgung der Patientinnen und Patienten und für eine schnellere Terminvergabe setzen wir auf ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der Hausarztzentrierten Versorgung und im Kollektivvertrag,“ heißt es dazu Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Auf fachärztlicher Seite sollen lediglich die Augenheilkunde und die Gynäkologie ohne Überweisung für gesetzlich Krankenversicherte zugänglich sein.
Für Patientinnen und Patienten mit einer „spezifischen schweren chronischen Erkrankung“ soll ein vereinfachtes Verfahren entwickelt werden, zum Beispiel mittels Jahresüberweisungen, wie dazu der Koalitionsvertrag weiter ausführt.
Im Zuge der Verfahrensvereinfachung ist außerdem auch in Zukunft weiter die telefonische Krankschreibung vorgesehen, die aber so verändert werden soll, dass Missbrauch zukünftig ausgeschlossen werden kann.
Die gesetzlich Krankenversicherten werden den Koalitionsplänen zufolge eine „Termingarantie“ erhalten, „in dem die Primärärztinnen und Primärärzte oder die von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) betriebene Rufnummer den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin feststellen“ und einen dafür notwendigen Zeitkorridor festlegen. „Gelingt dies nicht, wird der Facharztzugang im Krankenhaus ambulant für diese Patientinnen und Patienten ermöglicht,“ droht der Koalitionsvertrag mit Konsequenzen. Die sektorenübergreifende Versorgung soll insgesamt weiter gestärkt werden, etwa mittels noch zu entwickelnder sektorenunabhängiger Fallpauschalen (Hybrid-DRGs).
Mit diesem vor Gesundheitsminister Karl Lauterbach in Grundzügen bereits seit mehr als zwanzig Jahren propagierten Konzept rot-grüner Gesundheitspolitik versprechen sich die Koalitionspartner Wartezeiten zu verringern, das Personal in ärztlichen Praxen zu entlasten und den Zugang zu Fachärztinnen und Fachärzten „bedarfsgerecht und strukturierter“ zu gestalten.
Mit diesem vor Gesundheitsminister Karl Lauterbach in Grundzügen bereits seit mehr als zwanzig Jahren propagierten Konzept rot-grüner Gesundheitspolitik versprechen sich die Koalitionspartner Wartezeiten zu verringern, das Personal in ärztlichen Praxen zu entlasten und den Zugang zu Fachärztinnen und Fachärzten „bedarfsgerecht und strukturierter“ zu gestalten. Lauterbach selbst gilt nicht als Favorit für das Amt des Gesundheitsministers für die Umsetzung des Primärarztsystems in der neuen Legislaturperiode. Im Zeichen der von der Union geforderten Politikwende gilt der Magdeburger Tino Sorge als aussichtsreicher Kandidat. Sorge war zuletzt gesundheitspolitischer Sprecher der Union-Bundestagsfraktion.
Zwiespältiges Stimmungsbild
Dermatologinnen und Dermatologen dürften nach einer ersten Einschätzung die von der Einführung des Primärarztprinzips am stärksten betroffene Facharztgruppe sein. Mit insgesamt mehr als 21 Millionen Patientenkontakten im Jahr stellen sie die am meisten in Anspruch genommene Facharztgruppe dar. In der Vergangenheit hatten sich der Berufsverband der Deutschen Dermatologen und die Deutsche Dermatologische Gesellschaft mit dem Anspruch den „Hausarzt für die Haut“ darzustellen, immer wieder gegen den Hausarzt als Lotsen und den Verlust des Direktzugangs zur Dermatologie gewehrt. Heute klagen aber auch viele Hautarztpraxen und in der ambulanten Versorgung tätige dermatologische Polikliniken über übermäßige Inanspruchnahme durch Bagatellerkrankungen und die daraus resultierende „Minutenmedizin“ ohne genügend Zeit für die Zuwendung zu ihren Patienten.
Eine Online-Blitzumfrage der Ärztenachrichtendienbstes (aend) bei rund 1000 vertragsärztlich Tätigen gleich nach Bekanntwerden der Koalitionsvereinbarungen zeigt ein heterogenes Bild: während die teilnehmenden 374 Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner mit nahezu 90% das Primärarztsystem begrüßen, ist das fachärztliche Lager gespalten. 56% der insgesamt 688 fachärztlich tätigen lehnen ein Primärarztsystem rundweg ab.
Reform im Zeichen von Sparmaßnahmen
Im übrigen stehen sämtliche neuen gesundheitspolitischen Maßnahmen des Koalitionsvertrags unter einem generellen Prüfvorbehalt im Zeichen verschärfter Bemühungen, Beitragssatzstabilität wieder herzustellen. Eine neu einzusetzende Kommission soll hierzu bis zum Frühjahr 2027 eine Stellung abgeben. Erklärtes Ziel der Koalitionsvereinbarung ist es, in der Gesetzlichen Krankenversicherung die seit Jahren wachsende strukturelle Lücke zwischen Beitragseinnahmen und Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung wieder zu schließen. Dazu sollen die Einnahmen auf der Beschäftigungsseite erhöht, zugleich aber die Kosten auf der Ausgabenseite gesenkt werden.
„Einmal mehr werden wichtige Entscheidungen auf die lange Bank geschoben, das deutsche Gesundheitssystem bleibt unterfinanziert,“ übt der Berufsverband der Deutschen Dermatologen deutliche Kritik am Zeitplan. „Konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung von Kranken- und Pflegeversicherung fanden keinen Niederschlag im Koalitionsvertrag. Der Ausgleich durch Steuermittel für Bürgergeldbeziehende in der GKV fehlt.“
So geht es weiter
Am 6. Mai soll Friedrich Merz als neuer Bundeskanzler gewählt und damit der Koalitionsvertrag wirksam werden. Ob es dazu kommt, hängt von der Zustimmung der beteiligten Parteien ab. Die CDU hat dazu für den 28. April einen „kleinen Parteitag“, den sogenannten Bundesausschuss, für den 28. April einberufen. Am folgenden Tag endet die Abstimmung innerhalb der SPD, die dazu Ihre rund 358.000 Mitglieder befragt. In der CSU ist die Entscheidung bereits mit der Zustimmung des Parteivorstands gefallen.