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Minisymposium mit Festakt – 100 Jahre Hautklinik Erlangen
Autor: Ralf Blumenthal
ERLANGEN – Es gab hohes Lob von vielen Seiten bei einem Festakt anlässlich des 100jährigen Bestehens der Hautklinik Erlangen. Wertschätzung war der Hautklinik jedoch keineswegs schon mit der Gründung 1924 in die Wiege gelegt.
Armeezelte dienten Ende der 1960er zeitweise als Provisorium, als eine Sanierung der alten Lazarettgebäude anstand, die über fast 90 Jahre die Dermatologie in Erlangen beheimateten. Foto: Univresitäts-Hautklinik Erlangen
„Heute steht die Dermatologie an der Spitze der klinischen Immun- und Systemtherapien, und zwar sowohl bei entzündlichen Hauterkrankungen, wie der Psoriasis und dem atopischen Ekzem, aber auch bei Neoplasien wie dem malignen Melanom. Die Erlanger Dermatologie hat zu diesen Entwicklungen maßgeblich beigetragen,“ zollte der Dekan der Medizinischen Fakultät der FAU Erlangen-Nürnberg, Prof. Markus F. Neurath, Anerkennung vor mehr als 100 Gästen.
Schnitt - Die „Fränkische Seenplatte“ ist auf keiner Karte zu finden. Ein flüchtiges Phänomen, das sich nur nach anhaltend starkem Regen oder Schnee auf dem 1,7 Hektar großen Gelände rund um die Hautklinik zeigte, vier teils ebenerdigen teils einstöckigen „Barackenkasernements“, die schon bei der Umwidmung zur Hautklinik 1924 als sanierungsbedürftig galten.
Die wiederkehrenden sarkastischen Beschwerden von Hautklinikleiter Prof. Otto Hornsteins zeigten 1968 nur eine begrenzte Wirkung. Bei der provisorischen Sanierung des ehemaligen Garnisonslazaretts wurden die Patienten vorübergehend in Armeezelten untergebracht und konnten sich bei trockener Witterung in Schlafanzügen im Freien aufhalten.
Historische Reminiszenz, wieder erinnert bei einem „Minisymposium“ mit zahlreichen Ehrengästen im Zeichen des 100. Gründungsjubiläums. Für den Medizinhistoriker Karl-Heinz Leven und seine Doktorandin Luise Leistner liefert das Jahrhundert der Dermatologie am Universitätsklinikum den Stoff für eine Dissertationsarbeit. Für einen Zeitzeugen wie Prof. Michael Hertel war Erlangen eine wichtige Etappe in seiner Laufbahn als dermatologischer Hochschullehrer, für Dr. Sabine Hauck, die Ur-Enkelin des Gründungsordinarius Familiengeschichte. Alle drei ließen bei diesem besonderen Symposium Erinnerungen lebendig werden.
Diskriminierung und Ausgrenzung
Die Anfänge der Hautklinik nach dem Ende des 1. Weltkriegs standen im Zeichen von Diskriminierung und Ausgrenzung. Der damalige Direktor der Medizinischen Klinik in Erlangen, Franz Penzoldt, sprach von „ekelerregenden Hautkranken“ und „widerspenstigen Prostituierten“, die in der Inneren Medizin nur stören würden und die man „besser separat behandeln sollte,“ berichtete Prof. Heinrich Iro dem Auditorium. „Wie gut, dass nach Ende des Ersten Weltkriegs das damalige Garnisonslazarett in der Hartmannstraße nicht mehr gebraucht wurde und man – mit einem gebührenden Abstand von gut einem Kilometer – dort eine ‚Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten‘ eröffnen konnte,“ so der Ärztliche Direktor des Klinikums
Die massenhafte Ausbreitung sexuell übertragbarer Hauterkrankungen namentlich der Syphillis gab deutschlandweit den Anstoß für die Gründung zahlreicher Hautkliniken, so auch in Erlangen. Gründungsordinarius Leonhard („Leo“) Hauck widmete seine 40jährige Berufslaufbahn der Erforschung und Behandlung auch und schwerpunktmäßig dieses Krankheitsbildes.
Prof. Michael Sticherling hat einen Teil der Moulagen aus dunklen Kellern in den öffentlichen Raum des Klinikums geholt, um das Bewußtsein für die Vorsorge gegen Hauterkrankungen zu schärfen. Foto: Univresitäts-Hautklinik Erlangen
Ein bundesweites Leuchtturm-Priojekt
Als „Erlanger Besonderheit“ würdigte Iro die Tatsache, dass die Hautklinik nahezu 90 Jahre später im Oktober 2011 „an genau den Ort zurückkam, wo man sie damals unter Franz Penzoldt nicht haben wollte“ – mitten in das neu geschaffene Internistische Zentrum des Universitätsklinikum.
Die „unglaubliche Entwicklung“ der Dermatologie als Fachdisziplin und überragende Forschungsergebnisse der Erlanger Kolleginnen und Kollegen namentlich in der Immunologie, in der Melanomforschung und bei der Behandlung entzündlicher Dermatosen haben zu dieser Um- und Neubewertung der Dermatologie einen entscheidenden Beitrag geleistet, wie der Vizepräsident der FAU Erlangen-Nürnberg Prof. Georg Schett und der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Markus F. Neurath, in ihren Grußworten übereinstimmend feststellten. Schett zollte hohes Lob für die Bereitschaft zur interdisziplinäre Vernetzung im Deutschen Zentrum Immuntherapie und im Bayerischen Zentrum für Krebsforschung.
Bei der Einwerbung von Forschungsmitteln weist die Erlanger Dermatologie beeindruckende Zahlen auf. So hat sich das durchschnittliche Drittmittelaufkommen der Klinik in den letzten Jahren nahezu verdoppelt und beläuft sich heute auf rund 4,5 Mio. Euro im Jahr. Nahezu die Hälfte dieser Gelder kommen aus öffentlichen Mitteln des Landes und der Deutschen Forschungsgesellschaft, wie Neurath unterstrich.
Das Studienzentrum für entzündliche Hauterkrankungen in Erlangen stelle bundesweit einen Leuchtturm dar, so der Dekan. Durch das wöchentlich tagende Entzündungsboard sei eine exzellente interdisziplinäre Versorgung mit anderen Fachdisziplinen gewährleistet. Wichtige wissenschaftliche Kollaborationen seien die Folge.
Das gilt nach den Worten Neuraths auch für das von der Dermatologie organisierte interdisziplinäre Toxizitätsboard zur Hautkrebstherapie mit Immuncheckpoint-lnhibitoren. Die Erlanger Hautklinik habe sich frühzeitig mit den immunvermittelten, teils sehr schweren und irreversiblen Nebenwirkungen beschäftigt und Pionierarbeit in deren Erkennung und Management geleistet.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt in Erlangen auf frühen klinische Studien mit selbst hergestellten Zelltherapeutika, wie dendritischen Zellen und regulatorischen T Zellen (Treg) zur individuellen Immuntherapie. Das auf dieser Basis errichtete Gebäude für ein GMP-Labor, das den „good medical practise“ Anforderungen für höchste Qualität entspricht, stellt nach Neuraths Worten die Kernzelle der Medizinischen Fakultät für Zelltherapeutika dar.
In der Mitte angekommen
Aller Modernität und Wissenschaftlichkeit zum Trotz hat die emotionale Abwehrhaltung auf Hauterkrankungen offenbar überdauert, wie Prof. Iro aus eigenem Erleben berichtete. „Wer im neuen großzügigen Internistischen Zentrum der Erlanger Universitätsklinik in den manchmal endlosen Gängen die Orientierung verliert und dann vor einer Glasvitrine steht und leise sagt: „Das hier ist ja echt ein Gruselkabinett!“ der weiß, wir sind in der Hautklinik.“
Ausgestellt sind vor der andrologischen Abteilung der Hautklinik in der ersten Etage zahlreiche Moulagen: in Wachs modellierte Abbilder krankhafter Hautveränderungen am Kopf, am Körper oder auch an den Extremitäten. Dass diese dreidimensionalen Dokumente dermatologischer Diagnostik und Therapie mit dem Umzug aus dem ehemaligen Lazarett des 19. Jahrhunderts
eingangs des 21. Jahrhundert den Weg in das neue hochmoderne Zentrum des Universitätsklinikums gefunden haben, ist dem stellvertretenden Leiter der Hautklinik, Prof. Michael Sticherling, zu verdanken. Sein Ausstellungskonzept stellte er auf dem Symposium vor: Prävention und Aufklärung anhand von Exponaten, die ursprünglich für die medizinische Dokumentation und Lehre gedacht waren.
An Aktualität haben diese viele Jahrzehnte alten Anschauungsobjekte keineswegs verloren. Bei der Syphillis zum Beispiel ist seit Jahren ein Anstieg zu verzeichnen, wie Sticherling schon im Vorfeld des Festaktes in einer Presseinformation anlässlich des Jubiläums mitteilte. Vorsorge und Früherkennung sind nötiger denn je. „Wir überlegen tatsächlich, wieder standardisierte Syphilis-Bluttests bei unseren Hautklinikpatientinnen und -patienten einzuführen“, so Michael Sticherling. „Bei Hautsymptomen müssen wir heute auch wieder an die Lues denken.“
Blick in die Zukunft
Die Prozeduren der Herstellung eines realitätsgetreuen Krankheits-Abbildes – im ersten Schritt als Gipsabdruck der geschundenen Haut – bleiben Patienten schon lange erspart. Die moderne 3D-Fotographie und der sich immer weiter verfeinernde 3D-Druck wird möglicherweise zu einer Renaissance von Moulagen als Lehrobjekten im 21. Jahrhundert führen.
Auf Fortschritte dank Digitalisierung setzt Festtagsrednerin Prof. Julia Welzel auch bei der Lösung von alltäglichen Herausforderungen, vor denen die dermatologische Versorgung landauf landab steht: eine noch ständig wachsende Zahl von Behandlungsfällen, stundenlange Wartezeiten in der Notaufnahme, monatelange Vorlaufzeiten bei planbaren Behandlungen, akuter Ärzte- und Fachärztemangel heute und Nachwuchsmangel für die medizinische Versorgung der Zukunft.
Künstliche Intelligenz (KI) kann nach Darstellung der Präsidentin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und ärztlichen Dirktorin der Hautklinik Augsburger Universitätsklinikum im Medizinbetrieb unterstützend wirken. Sie erleichtert die Organisation von Abläufen und verbessert die Planung.
Tatsächlich aber ist das bundesdeutsche Gesundheitswesen in vielerlei Hinsicht in der Digitalisierung noch nicht sehr weit gekommen, wie sie am Beispiel der Vorplanung der Krankenhausreform und des „Datenmülls“ im ersten bundesdeutschen Klinik-Atlas verdeutlichte.
In der Tumor-Diagnostik hingegen erreichen Computeranwendungen heute bereits eine beachtliche Treffsicherheit. Überflüssig machen sie nach Einschätzung der DDG-Präsidentin die fachliche Expertise einer Hautärztin bzw. eines Hautarztes jedoch auch die nächsten 100 Jahre nicht; weil nur Menschen die Computerauswertung der Daten in das komplexe klinische Gesamtbild einer Hauterkrankung einordnen und in der Zusammenschau aller Faktoren die erforderliche Behandlung individuell passend abstimmen können.