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Versorgungsdaten zeigen Fortschritte
BERLIN/ERLANGEN – Die leitliniengerechte Arzneimittelversorgung von Psoriasis-Patienten macht Fortschritte. Unter- und Fehlversorgung sind rückläufig aber längst nicht überwunden, wie Prof. Michael Sticherling bei der Frühjahrsfortbildung des Entzündungsnetzwerks Nordbayern anhand der neuesten Zahlen aus der Versorgungsforschung verdeutlichte.
In die statistische Auswertung des “Hautnetz Deutschland“ flossen bundesdeutsche Abrechnungsdaten von insgesamt 2,2 Millionen Menschen mit Psoriasis oder Psoriasisarthritis ein. 1.66 Millionen leichten Fälle standen 420.000 mittelschwere bis schwere gegenüber. 120.000 Betroffene– Selbstzahler und andere – blieben im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ohne medizinische Versorgung.
Als unterversorgt gelten den vorliegenden Daten zufolge in der Gruppe der leichten Verlaufsformen 710.000 Fälle von Psoriasis, wie der stellvertretende Direktor der Uni-Hautklinik Erlangen erläuterte. Sie erhielten keine medizinische Behandlung. Bei den mittelschweren bis schweren Verläufen blieben weitere 8.000 unversorgt, ​
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22.000 Fälle unterversorgt
Mit einer rein topischen Therapie werden 22.000 mittelschwere bis schwere Fälle als unterversorgt aufgeführt. Immerhin 239.00 ( knapp 57%) aus dieser Gruppe erhielten entsprechend der dermatologischen Leitlinie eine systemische Therapie. 151.000 (rund 27,8%) wurden ausschließlich mit Glukokortikosteroiden [SM1] behandelt und waren nach den hautfachärztlichen Standards fehlversorgt.
Hand in Hand mit einer langsamen aber stetigen Verbesserung der Versorgung geht ein Anstieg der Verordnung von Biologika einher, wie Prof. Sticherling weiter darstellte. Die neuen Wirkstoffen greifen bei Psoriasis tief in den Entzündungsmechanismus ein und werden nicht mehr synthetisch, sondern biotechnologisch hergestellt. Daher der Name „Biologika“. Die Umsätze dieser Wirkstoffklasse haben sich seit 2018 allein in der Dermatologie versiebenfacht.

In der Übersicht wird deutlich, in welchem Umfannf Versorgung leitliniengerecht erfolgt und wo Defizite vorliegen. Grafik: Prof. Matthias Augustin/Hautnetz Deutschland
Nord-Südgefälle hält an
Allerdings besteht bereits seit Jahren ein starkes Nord-Süd-Gefälle im Verordnungsverhalten der Hautärztinnen und Hautärzte, wie Sticherling weiter ausführte. Während in Mecklenburg-Vorpommern oder Bremen beispielswiese Biologika für durchschnittlich 26 Euro pro gesetzlich Krankenversichertem verordnet wurden, liegen Bayern mit 7,30 Euro und Baden-Württemberg mit 3,40 Euro pro Kopf noch weit unter dem Bundesdurchschnitt (9,80 Euro). Dabei weisen die aktuellen Werte für das Jahr 2024 einen deutlichen Anstieg von in der Spitze mehr als 20% im Vergleich zu den Vorjahren auf.
Regressängste hält Sticherling für unberechtigt. In Bayern habe in den vergangenen 15 Jahren nicht eine einzige Überprüfung dermatologischer Biologika-Verordnungen zu einem Anspruch der Krankenkassen auf Rückzahlung der Kosten geführt. Und auch die Sorge, die Verordnung teurer Arzneimittelinnovationen könne das bundesdeutsche Gesundheitswesen überfordern, lässt der Vorsitzende des Nordbayerischen Hautärztenetzwerks nicht gelten: Die Kosten der dermatologischen Biologika-Verordnungen insgesamt machten nicht einmal ein Prozent der Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung aus, so Sticherling bei der jüngsten Fortbildungsveranstaltung. Auf der anderen Seite drohe die Dermatologie – beispielsweise in der Hauttumorbehandlung - Patienten an andere Fachgruppen zu verlieren, wenn sie sich einer leitliniengerechten Behandlung mit Biologika verschließe.
Aktuelle Problemfälle aus der Praxis
Bei der abschließenden Besprechung aktueller Problemfälle kam auch der Behandlungsverlauf eines Psoriasis-Patienten mit massiven Komplikationen zur Sprache. Die langjährige Therapie mit systemischen Medikamenten musste bei ihm wegen schwerer organischer Nebenwirkungen eingestellt werden. Doch gleich nach Beginn der Behandlung mit einem neuen Biologikum kam es zu einer paradoxen Hautreaktion. Es entwickelte sich ein Stevens-Johnson-Syndrom mit heftiger Blasenbildung an Haut und Schleimhäuten, die den sofortigen Abbruch der Behandlung erzwang. Erst der Umstieg auf ein anderes Arzneimittel der gleichen Substanzklasse, das an anderer Stelle in den Entzündungsprozess eingreift, brachte den erhofften Therapieerfolg.
Hintergrund: Grundsätzlich gelten Biologika als sichere und zuverlässige Medikamente. Unerwartete Nebenwirkungen sind selten und in aller Regel moderat. Die bislang ungelöste Schwierigkeit für den behandelnden Hautarzt und seinen Patienten besteht darin, dass es keine gesicherten Anhaltspunkte dafür gibt, welches der heute mehr als ein Dutzend verfügbaren Biologika im Einzelfall geeignet ist und den optimalen Therapieverlauf verspricht. Pharmakologische Forschung und Entwicklung, aber auch Fortbildung bleiben daher unerlässlich.